Intervention im Justizministerium

[English unten]

Am Morgen des 18. März haben wir eine Intervention im Justizministerium durchgeführt, um die Folter- und Misshandlungssituation im Gefängnis Tegel in Berlin anzuprangern, auch um Solidarität mit unserer Genossin Mariana zu bekunden, die sich ebenfalls in einer Situation der medizinischen Vernachlässigung im griechischen Gefängnis von Korydallos befindet.

Wir warfen kleine Flyer in das Gebäude und verteilten Flyer an Passanten, die die Situationen in JVA Tegel und Korydallos erklären.

Text des Flyer:

Resozialisierung ist nach wie vor eine der zentralen Lügen des europäischen Justizsystems. Im Moment der faschistischen Eskalation, da ein grundsätzlicher Wandel staatlicher Strategien zur Verwaltung des gesellschaftlichen Elends, der Ausbeutung und Unterdrückung zum Greifen nah ist, widmen wir uns – wer weiß – vielleicht ein letztes Mal dieser Lüge. Was wir zu sagen haben ist nicht neu oder vielen Menschen bekannt und doch lohnt es sich, für die kommende Zeit festzuhalten, dass der bürgerliche Liberalismus immer nur für die Privilegierten real existent war.

In Wirklichkeit existiert das Justizsystem zur Bestrafung widerständiger und nicht angepasster Haltungen. Seine Gefängnisse sind Orte der Vernichtung. Die Gefangenen erleiden Unterernährung, psychische und physische Gewalt, medizinische Vernachlässigung bis hin zum Tod. Der Geist soll gebrochen, der Körper ausgebeutet werden.

Die Inhaftierung unserer Gefährt*innen im Korydallos Gefängnis in Athen, insbesondere die Situation von Marianna M., die schwer verletzt vom Krankenzimmer in die Haft gebracht wurde, veranlasste uns zu einer Intervention. Nur wenige Tage nachdem sie die Explosion überlebt hatte, welche unseren ewigen Gefährten Kyriakos Xymitiris das Leben kostete, wurde sie in den Frauentrakt von Korydallos gebracht, welcher KEINE Untersuchungs- geschweige denn Behandlungsmöglichkeit bietet. Grigoropoulos Anastasios, der Chef des Evaggelismos Krankenhauses, der in mengelscher Tradition den Folterern der Anti-Terror-Polizei bereits zuvor Zugang zur, ihm vollends ausgelieferten, Patientin gewährt hatte, billigte diese Verschleppung und behielt dazu ihre Krankenakte für mehrere Wochen unter Verschluss.

Die schlechte Ernährung und die unhygienischen Bedingungen im Gefängnis, beide lebensgefährlich für eine verletzte Person, treffen nun unsere Gefährt*innen. Tatsächlich betreffen sie die gesamte Knastbevölkerung. Nicht nur die Psyche der Inhaftierten sowie ihrer Angehörigen soll also durch den Knast geschädigt werden, sondern die Körper werden strategisch geschwächt und auf lange Zeit eben zu vernichten versucht.

Dass Paracetamol für körperliche und Antidepressiva für seelische Not mehr oder weniger als einzige Mittel im Angebot stehen, wie wir aus Korydallos erfahren, kennen wir auch aus deutschen Knästen. Andreas Krebs schildert in seinem kürzlich veröffentlichten Brief an den Justizsenat von Berlin die Verabreichung falscher Medikamente, das Unterlassen von Notfallversorgung und eine generelle medizinische Vernachlässigung. Dies ist ebenso bekannt wie auch die anderen Punkte, die er auflistet:

– unhygienische Zustände

– mangelnde sanitäre Einrichtungen

– bürokratische Schikanen

– das Schüren von Konflikte unter Gefangenen, insbesondere durch zu wenige Telefone

– Verarmung

– Personalmangel

– schlechtes und zu wenig Essen

– mangelnde Möglichkeiten für Sport

Der Liste zuzufügen ist aufgrund einer kürzlichen Veröffentlichung durch die Gruppe Criminals for Freedom zudem die Tatsache, dass Gefangene immer öfter nur Kopien von Briefen und Postkarten erhalten, um sie emotional weiter von der Außenwelt zu isolieren.

Der offene Brief von Andreas Krebs an den Justizsenat von Berlin veranlasste uns ebenso zu unserer Intervention. Auch wenn unsere Ziele über die Forderungen der Gefangenen, an deren Stelle Andreas Krebs schreibt, hinausgehen, wollen wir dennoch die Rufe aus dem Inneren des Knastes verstärken, denn wir dulden nicht die Isolierung, die die Gefängnismauern uns aufzwingen. Die Zustände, die die Gefangenen in Tegel schildern, finden sich in allen Knästen. In Deutschland sind sie Ausdruck einer Strategie der Vernichtung einer Klasse, heute vermehrt nach rassistischen Klassifizierungen und in der Kontinuität kolonialer Ansprüche. In anderen Territorien nicht minder, teils jedoch zusätzlich als Element genozidaler Pläne.

Gegen die Gesellschaft der Isolation, der Kontrolle, der Ausbeutung und Unterdrückung, die im Knast ihren direktesten Ausdruck findet. Gemeinschaftlichkeit, Freiheit, Solidarität!

Brief von Andreas Krebs: https://de.indymedia.org/node/479075

On the morning of March 18 we made an intervention at the Ministry of Justice to denounce the situation of torture and mistreatment in the Tegel prison in Berlin, also to show solidarity with our comrade Mariana who is also in a situation of medical neglect in the Greek prison of Korydallos. We threw small flyers inside the building, and distributed flyers to passersby explaining the situations in JVA Tegel and Korydallos.

Text of the flyer:

Rehabilitation remains one of the central lies of the European justice system. At the moment of fascist escalation, when a fundamental change in state strategies for managing social misery, exploitation and oppression is within reach, we are – who knows – perhaps addressing this lie one last time. What we have to say is not new or familiar to many people and yet it is worth noting for the time to come that bourgeois liberalism has only ever really existed for the privileged.

In reality, the justice system exists to punish resistant and non-conformist attitudes. Its prisons are places of extermination. Prisoners suffer malnutrition, psychological and physical violence, medical neglect and even death. The spirit is to be broken, the body exploited.

The imprisonment of our comrades in Korydallos prison in Athens, especially the situation of Marianna M., who was seriously injured when she was taken from the infirmary to prison, prompted us to intervene. Only a few days after she survived the explosion that cost the life of our eternal comrade Kyriakos Xymitiris, she was taken to the women’s wing of Korydallos, which offers NO possibility of examination, let alone treatment.

Grigoropoulos Anastasios, the head of Evaggelismos Hospital, who in the Mengelian tradition had previously granted the torturers of the anti-terrorist police access to the patient, who was completely handed over to him, approved this abduction and kept her medical records under lock and key for several weeks.

The poor nutrition and unsanitary conditions in prison, both of which are life-threatening for an injured person, now affect our comrades. In fact, they affect the entire prison population. It is not only the psyche of the inmates and their relatives that is to be damaged by prison, but the bodies are strategically to be weakened and destroyed in the long term.

As we learn from Korydallos, paracetamol for physical and antidepressants for mental distress are more or less the only drugs on offer, as we also know from German prisons. In his recently published letter to the Berlin Senate of Justice, Andreas Krebs describes the administration of the wrong medication, the failure to provide emergency care and general medical neglect. This is just as well known as the other points he lists:

– unsanitary conditions

– lack of sanitary facilities

– bureaucratic harassment

– the stirring up of conflicts among prisoners, in particular due to too few telephones

– impoverishment

– lack of staff

– poor and insufficient food

– Lack of opportunities for sport

Due to a recent publication by the group Criminals for Freedom, the fact that prisoners are increasingly only receiving copies of letters and postcards in order to further isolate them emotionally from the outside world should also be added to the list.

Andreas Krebs‘ open letter to the Berlin Senate of Justice also prompted us to intervene. Even if our goals go beyond the demands of the prisoners on whose behalf Andreas Krebs writes, we still want to strengthen the calls from inside the prison, because we do not tolerate the isolation that the prison walls impose on us. The conditions described by the prisoners in Tegel can be found in all prisons. In Germany, they are an expression of a strategy to destroy a class, today increasingly according to racist classifications and in the continuity of colonial claims. In other territories no less, but in some cases also as an element of genocidal plans.

Against the society of isolation, control, exploitation and oppression, which finds its most direct expression in prison. Community, freedom, solidarity!

Letter of Andreas Krebs: https://de.indymedia.org/node/479075

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passiert am 18.03.2025